Plötzlich eine Heldin

Ein Start-Up im eigenen Unternehmen zu gründen stellt sich als spannender Ansatz dar zur Förderung von Innovation, um neue Entwicklungen voranzutreiben und den Nachwuchs zu fördern. Kapitalgeber und Kapitalnehmer profitieren dabei auf ihre Weise – ein Expertendialog zwischen SMP und Katharina Brunsendorf, Gründerin der vom Commerzbank Konzern geförderten Initiative „finanz-heldinnen“.
Gegründet 2018 gehört finanz-heldinnen heute mit rund 300 Tsd. Podcast-Abonnent:innen und 130 Tsd. Instagram-Follower:innen zu den wichtigsten deutschen Content-Plattformen zum Thema Finanzen, insbesondere für Frauen. Wie es dazu gekommen ist und welche Rolle dabei ihr Arbeitgeber gespielt hat – das verrät die Gewinnerin des FOCUS Money Female Finance Awards 2022 im folgenden Interview.
Katharina, wie wird man von der comdirect Mitarbeiterin zur finanz-heldin?
Ursprünglich komme ich aus dem Kommunikationsbereich. Mit dem Thema Finanzen bin ich insbesondere durch meine vorherige Tätigkeit bei comdirect in Berührung gekommen. Dabei habe ich den Antrieb entwickelt, vor allem Frauen für Finanzen begeistern zu wollen.
Wie entstand konkret die Idee?
Zu Beginn haben wir uns im Team immer wieder ausgetauscht, wie wir das Thema Finanzen angehen. Dabei kam heraus, dass ich schon immer eine gute „Sparerin“ war. Ich war immer strukturiert, wusste woher mein Geld kommt, und wie ich es beiseitelegen konnte. Wenn es allerdings um das Thema Investieren mit Wertpapieren ging, war das auch für mich Neuland. Obwohl ich davon wusste, war mir nicht klar, wie ich am besten damit starten sollte. Damit entsprach ich wahrscheinlich eher dem klassisch weiblichen Stereotypen. Vielen anderen Kolleg:innen ging es aber auch so. Wir sind im Team mit kleinen Summen und Sparplänen gestartet, um es einfach mal auszuprobieren. Alle haben sich gegenseitig motiviert und ausgetauscht – und auch relativ schnell den Mehrwert des Investierens erkannt. So enstand die Idee für finanz-heldinnen…
Die Aussage „Altersarmut ist weiblich“ kannte ich damals schon aus diversen Studien. Als Bank haben wir darin eine Handlungsverantwortung für uns erkannt, um dies in Zukunft zu verbessern. Dafür sahen wir im ersten Schritt eine Initiative vor, die Frauen für das Thema Finanzen begeistert und sie in ihre finanzielle Unabhängigkeit begleitet. Das ist heute finanz-heldinnen.
Wie hat die Reise der finanz-heldinnen gestartet?
Im Januar 2018 sind wir live gegangen. Kurz darauf fand unser erstes Event in Hamburg statt, welches innerhalb von zwei Tagen ausgebucht war. Parallel dazu sind Artikel entstanden und wir haben die Social-Media-Kanäle live geschaltet. Recht schnell haben wir gemerkt, dass es eine große Zielgruppe an Frauen gibt, die sich für unsere Themen interessiert.
Danach haben wir die Initiative „hands-on“ weiterentwickelt. Wir haben verschiedene Formate und Themen ausprobiert und dabei immer kritisch hinterfragt, was funktioniert und was nicht. Ganz nach dem Motto „Trial und Error“. Im Oktober 2018 riefen wir zum Beispiel den Podcast ins Leben, der heute unser erfolgsreichster Kanal ist. Wir hatten zeitweilig auch eine Lern-App im Angebot. Diese weiterzuentwickeln war für uns aber zu teuer, da sie zwar oft heruntergeladen wurde, aber nicht gut genug performte im Verhältnis zu anderen Kanälen. Wir achten immer darauf, unser Budget sehr gezielt einzusetzen.
Auch heute ist es uns weiterhin wichtig zu verstehen, was die Community interessiert, und über welche Kanäle wir sie am besten erreichen können. Wir befragen sie immer wieder und nehmen Feedback auf. Wir haben auch erkannt, wie gut die Zusammenarbeit mit Influencern funktionieren kann, um unsere Community wachsen zu lassen. Wir müssen eben dort stattfinden, wo das Leben stattfindet: in der Hand auf dem Smartphone der Menschen. Und genau dort haben Influencer einen Vorsprung und Vertrauen aufgebaut.
„Der Blick der Menschen, die wir erreichen wollen, sollte immer wichtiger sein als dessen Blick, der die Initiative finanziert.“
Was macht finanz-heldinnen so einzigartig?
Ganz klar, das Team und die Community. finanz-heldinnen ist für uns ein Herzensprojekt, wofür wir auch gerne mal länger am Schreibtisch sitzen. Wir brennen für unsere Themen. Wir glauben an die Notwendigkeit unserer Arbeit und stehen voll hinter der Initiative. Beim Aufbau gab es selbstverständlich Durststrecken. Aber unsere Leidenschaft hat uns geholfen, durchzuhalten.
Bei Rückschlägen haben wir nicht direkt aufgegeben, wenn wir an eine Idee geglaubt haben. 2018 versuchten wir zum Beispiel, mit Frauenmagazinen zu arbeiten. Obwohl die Magazin-Verleger zurückmeldeten, dass ihre Leserinnen kein Interesse hätten, versuchten wir es weiter. Wir glaubten fest an das Potenzial innerhalb dieser Zielgruppe. Mit Corona kam dann der Wendepunkt. Während das Thema Finanzen zuvor ausschließlich in Männermagazinen zu finden war, gibt es mittlerweile auch Frauenmagazine, die sich konkret dem Thema Finanzen widmen. Dass wir als Team drangeblieben sind, hat uns heute dazu verholfen mehr Frauen über Magazine erreichen zu können.
Unsere Leidenschaft wird zusätzlich durch unsere Community immer wieder gestärkt. Ein Beispiel: Ich habe auf einem unserer Events eine ältere Frau getroffen, dessen Mann gerade verstorben war. Sie wusste damals nicht, wie sie mit ihren Finanzen weitermachen soll. Einige Monate später habe ich sie bei einem anderen Event wiedergesehen. Sie kam auf mich zu, nahm mich fest in den Arm und sagte mir: „Ihr habt mir das Gefühl gegeben, dass ich das kann!“. Jede Nachricht auf Instagram, in der sich Menschen für unsere Arbeit bedanken, treibt uns unheimlich an. Das sind die Momente, in denen wir merken: Das, was wir tun, hilft. Ich speichere mir all diese Nachrichten ab und lese sie, wenn es mal schlechter läuft oder ich auch mal zweifle.
Was können andere Brands von finanz-heldinnen lernen?
Zuhören und einfach mal machen! Man muss sich trauen, Dinge auszuprobieren. Man sollte nicht zu sehr darauf hören, was andere Menschen sagen, die die Zielgruppe nicht kennen oder selbst nicht zur Zielgruppe gehören. Stattdessen sollte man das Ohr immer nah an der Community haben und zuhören, zum Beispiel in Form eines Workshops mit einer Gruppe von Follower:innen. Das sind die wichtigen Blicke über den Tellerrand, die einen weiterbringen. Diese braucht man auch, um Ideen beim Sponsor glaubhaft zu verkaufen. Der Blick der Menschen, die wir erreichen wollen, sollte nämlich immer wichtiger sein als dessen Blick, der die Initiative finanziert.
Apropos Sponsor: Welche Rolle hat der Commerzbank-Konzern beim Aufbau der Initiative gespielt? Was braucht es, damit Corporate Venturing in der Praxis funktioniert?
Es gehören immer zwei Seiten dazu. Einerseits Entscheider:innen im Unternehmen, die mutig sind und den Freiraum geben. Anderseits braucht es auch Umsetzer:innen, die ebenso mutig sind und auch mal Phasen durchhalten können, in denen nicht alles rund läuft.
Wir haben von Anfang an Entwicklungsfreiraum beim Thema finanz-heldinnen eingefordert und diesen auch bekommen. Dadurch hatten wir bereits zu Beginn Verbündete in Entscheidungspositionen, die uns unterstützt und „internes Lobbying“ betrieben haben. Die Bank hat außerdem den richtigen Rahmen geschaffen durch eine komplette Freistellung von meiner täglichen Arbeit. Ich musste allerdings auch jedes Jahr - wie in einem Start-Up - meine Pläne vorstellen und um das benötigte Budget für die Initiative pitchen. Auf der anderen Seite hatten wir auch das „mutige Team“. Wir sind immer drangeblieben und haben auch neben bewährten Formaten immer versucht, neue Dinge auszuprobieren.
„Je früher man sich ein internes Netzwerk mit Multiplikator:innen im Unternehmen aufbaut, desto besser läuft es.“
Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen eurer „sozialen Initiative“ und den finanziellen Interessen der Bank?
Wir haben aktuell die Freiheit, vom Content und aus dem Veränderungsgedanken heraus zu agieren. Aus unserer Sicht kann solch eine Initiative nur zu Veränderung führen, wenn wir im ersten Schritt Wissen vermitteln und damit die Leute befähigen, Finanzentscheidungen zu treffen.
Dadurch entsteht im Gegenzug eine positive Wahrnehmung für die Marken des Commerzbank-Konzerns. Personen, die ein positives Erlebnis mit der Initiative haben, werden diesen Erfolg positiv auf die Marken zurückführen. Langfristig kann der Konzern dadurch mehr als über eine kurzfristige Werbeansprache und Produktplatzierung gewinnen. Wir sind uns sicher, dass über die Initiative gewonnene Kund:innen deutlich loyaler sind und damit einen höheren Kundenwert haben. Schließlich haben sie sich vor Produktabschluss aktiv mit den Themen auseinandergesetzt und bewusst die Bank gewählt. Außerdem haben wir mit unserer Arbeit wichtige Zielgruppen-Erkenntnisse für die Bank gewonnen: Welche Kanäle funktionieren gut? Welche Ansprache-Formate braucht es, um Frauen zu erreichen?
„Das ist der Vorteil, wenn man im Unternehmen gründet: Weniger Risiko und dennoch die Möglichkeit, unternehmerisch zu agieren!“
Was würdest du anderen angehenden Gründer:innen innerhalb eines Unternehmens empfehlen?
Man sollte sich Menschen aus verschiedenen Bereichen suchen, die die Idee unterstützen. Als wir finanz-heldinnen frisch gegründet hatten, wurden wir im Konzern teilweise kritisch beäugt. Je mehr Menschen wir jedoch aus unterschiedlichen Bereichen einbanden, desto positiver entwickelte sich das Bild der Initiative in der Bank. Wir haben Botschafterinnen in der Bank aufgebaut, die auf der einen Seite an der Initiative mitwirkten und auf der anderen Seite im Unternehmen darüber sprachen und informierten. In Summe: Internes Marketing sollte man nicht vergessen. Je früher man sich ein internes Netzwerk mit Multiplikator:innen im Unternehmen aufbaut, desto besser läuft es.
Welchen Fallstricken bist Du auf dem Weg begegnet? Welche Dinge haben nicht funktioniert?
Überhaupt nicht funktioniert hat eigentlich nichts. Bevor wir etwas Neues gestartet haben, wurde die Community vorab befragt und Feedback eingeholt. Ein Beispiel dafür war die Umstellung vom zweiwöchigen Podcast auf ein wöchentliches Format. Wir erhielten von der Community den Wunsch nach regelmäßigeren Podcasts und konnten im gleichen Zuge Ideen für neue Themen abfragen.
Es gab dennoch Themen, die weniger erfolgreich waren als andere. Dort war es wichtig, dass wir sagen konnten: „Wir lassen das jetzt“. Ein Beispiel hierfür war Twitter. Die Plattform funktionierte für Veranstaltungen gut, war aber in der täglichen Kommunikation für uns ungeeignet. Daraufhin fokussierten wir uns stärker auf unsere restlichen Kanäle wie Instagram und den Podcast. Da wir unseren Content größtenteils in unserem dreiköpfigen Team selbst produzieren, mussten wir lernen, Prioritäten zu setzen.
„Wir schaffen Veränderung nur, wenn wir als Frauen unsere Altersvorsorge wirklich in die Hand nehmen.“
Was ist Deine Vision für finanz-heldinnen in den nächsten zwei bis fünf Jahren?
Wir haben mit finanz-heldinnen einen Funken entfacht. Wir wollen diesen Funken noch auf viel mehr Frauen übertragen. Dieser Funken soll perspektivisch in ein Feuer übergehen, in Form eines „ins Tun kommen“. Wissen vermitteln und „ins Planen kommen“ war nur der erste Schritt. Als nächstes möchte ich etwas erschaffen, womit Frauen pragmatisch in die Umsetzung gehen können. Wir verändern Headlines wie „Arbeitsarmut ist weiblich“ nicht mit dem Lesen von Büchern oder Blogartikeln. Wir schaffen Veränderung nur, wenn wir als Frauen unsere Altersvorsorge wirklich in die Hand nehmen.
Was würdest Du Deinem Ich vor 5 Jahren raten?
Denke größer und traue Dir mehr zu! Ganz ehrlich: Ich hätte mir niemals ausgemalt, dass finanz-heldinnen so groß wird. Hätte mir damals jemand gesagt, dass unser Buch ein Manager-Magazin-Beststeller wird, hätte ich das nicht geglaubt. Erst später habe ich erkannt, dass ich mir mehr zutrauen kann. Schließlich saß ich im selben Boot wie alle Frauen unserer Community. Ich musste auch den ersten Schritt an der Börse machen und daraus lernen. Stärker daran zu glauben, dass meine Erfahrungen und mein Wissen für andere wertvoll sind – das hätte ich meinem damaligen Ich geraten.
Auf der anderen Seite hat es mir gutgetan, mit finanz-heldinnen zu wachsen. Ich habe gelernt: Man muss seine Komfortzone verlassen, um neue Dinge zu erleben und zu entdecken. Nur darüber nachzudenken, hilft nicht. Weil ich so oft im kalten Wasser geschwommen bin, weiß ich nun, was gut funktioniert und was nicht.
Also: Macht es, traut Euch! Hier kommt der Vorteil von Corporate Venturing wieder ins Spiel. Ich hatte ein sicheres Netz, das mich aufgefangen hätte, und Menschen, die mich von Anfang an unterstützten. Das ist der Vorteil, wenn man im Unternehmen gründet: Weniger Risiko und dennoch die Möglichkeit, unternehmerisch zu agieren!
Das Gespräch mit Katharina Brunsendorf führten Konstantin Schaller (Partner) und Y Chi Lange (Senior Consultant). Die offizielle Webseite der Initiative „finanz-heldinnen“ finden Sie unter folgendem Link: https://finanz-heldinnen.de/