Das Haus, dein Freund und Helfer

„Digitale Technik verändert das Zusammenspiel vieler Geräte im Haus“ und „je einfacher die Lösungen sind, umso größer die Erfolgschance.“ wird unser Partner Marcel Vandieken in der Printausgabe der Rheinischen Post (Wirtschaft Nr. 10, Juni 2018) zum Thema Smarthome zitiert. Lesen Sie den gesamten Artikel hier:
Es kocht Kaffee auf Zuruf, lässt die Rolläden herunter, wenn die Sonne blendet, und verständigt die Polizei bei einem Einbruch: Das Smarthome ist längst keine Vision mehr. Viele Unternehmen aus NRW mischen in dem Milliardenmarkt mit. Doch in den Internetgiganten aus den USA haben sie harte Konkurrenz.
VON REINHARD KOWALEWSKY
Als am Abend des 15. März plötzlich von ihr nicht aufgerufene Bilder über ihren Fernseher flimmern, wähnt Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking radikale Tierschützer am Werk: Die hätten ihr privates WLAN geknackt und eine Debatte über die „Schweinestallaffäre“ auf ihrem Bauernhof auf ihren Bildschirm gestreamt, um sie einzuschüchtern. Und mit einem Mal erscheint das voll vernetzte, digitale Eigenheim, in dem alle Geräte miteinander kommunizieren, nicht mehr als die technologische Verheißung, als die es sonst gepriesen wird, sondern vor allem als eines: angreifbar. Als Cyberexperten jedoch feststellen, dass keineswegs Hacker hinter dem ungewollten TV-Erlebnis stecken, sondern schlicht ein falsch bedientes iPad, ist die Peinlichkeit groß. So groß, dass die Ministerin sie erst geheim hält – und später zurücktritt. Schulze Föcking dürfte nach dieser Episode eher kein Fan des Smarthomes sein. Der Kabelnetzbetreiber Unitymedia und die große NRW-Wohnungsfirma LEG dagegen sehen darin eine gewaltige Chance. In noch geheimen Projekten arbeiten sie daran, Tausende Wohnungen zu digitalisieren. Ferngesteuerte Waschmaschinen, digitale Rauchmelder oder Einbruchschutzsensoren – all das könnte bald schon zum Alltag der Mieter gehören. Die sicheren Datenleitungen dazu sollen von Unitymedia kommen.
In diesen Tagen startet ein Pilotprojekt mit einigen Hundert Wohnungen in Monheim, doch der Konzern hat längst größere Ambitionen: „Wir haben das Ziel, künftig Hunderttausende Haushalte zu digitalisieren“, sagt Hans Martin Czermin, der den Unternehmensbereich Wohnungswirtschaft und Geschäftskunden leitet. „Wir sehen die Anwendungsmöglichkeiten für Smartbuilding-Lösungen als grenzenlos an.“
Tatsächlich fängt der Siegeszug des digitalen Hauses erst richtig an. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Arthur D. Little für den Branchenverband Eco steigt der Umsatz mit Vernetzungsanlagen für private Häuser in den nächsten fünf Jahren im Schnitt um 26,4 Prozent. Der Umsatz mit Smarthomes springt demnach von aktuell 1,3 Milliarden Euro bis 2022 auf 4,3 Milliarden.
Was Amazons Alexa kann, soll auch ein Sprachassistent der Deutschen Telekom leisten. Datenschutz gibt's obendrauf
Heute nutzten zwei Millionen Haushalte Systeme zur digitalen Kontrolle und Steuerung ihrer Wohnung, in fünf Jahren sei mit mindestens acht Millionen zu rechnen, so die Studie. Damit wäre rund jeder fünfte Haushalt vernetzt. „Im Smarthome sind alle Geräte im und ums Haus vernetzt und agieren intelligent“, sagt Eco-Geschäftsführer Harald Summa. „Das Internet bildet dafür die Grundlage, denn es verbindet die Geräte untereinander und ermöglicht den Datenaustausch.“
Ein Vorreiter ist die Deutsche Telekom. Sie erhöhte die Zahl der Kunden, die den Service Connected Home nutzen, in einem Jahr um 80 Prozent auf 283.000. Mit im Paket kann die Steuerung der Heizung oder einer Hi-Fi-Anlage sein. Laut Telekom lassen sich 250 Geräte oder Dienste verschiedener Hersteller mit dem System verknüpfen. So sind Lampen von Osram per App dimmbar, bei einem Einbruch ruft der Partner Ergo die Polizei, bei einem Wasserschaden den Installateur, wenn die Hausbewohner nicht erreichbar sind.
Dabei zählt die Telekom die Vermarktung von Smarthome-Produkten zum Kern ihrer Strategie: So entwickelt sie einen eigenen Sprachassistenten, mit dem die Geräte gesteuert werden können. Was Alexa von Amazon bereits kann, soll es also auch von Europas größtem Telefonkonzern geben – Datenschutz inklusive. „Wir setzen auf Innovation“, sagt Dirk Wössner, Deutschlandchef der Telekom. „Im vernetzen Zuhause mit Magenta-Smarthome spielen Geräte und Dienste automatisch und nahtlos zusammen.“
Dabei sind Allroundlösungen wie bei der Telekom oder künftig Unitymedia nur Teil des Trends zur Automatisierung des Hauses. Parallel zum Siegeszug des Smartphones setzen sich viele Einzelangebote für vernetzte Produkte im Haus durch. Gerade bei Unterhaltungselektronik ist dieser Trend klar. Netflix hat in Deutschland mittlerweile wohl mehr Kunden als der eher über Satellit übertragene Videodienst Sky – so werden TV, Internet und Handy verknüpft. Musikfreunde kaufen sich keine CDs mehr, sondern abonnieren Spotify oder Google-Music. Neue Hi-Fi-Anlagen integrieren diese Dienste oder die Funktechnik Bluetooth direkt, aber auch für Besitzer älterer Anlagen gibt es Rettung: Philips verkauft neuerdings für 50 Euro einen Bluetooth-Adapter zum Anbinden des Smartphones an eine ältere Hi-Fi-Anlage. „Digitale Technik verändert das Zusammenspiel vieler Geräte im Haus“, sagt dazu der Unternehmensberater Marcel Vandieken von der Düsseldorfer SMP AG. „je einfacher die Lösungen sind, umso größer die Erfolgschance.“
Der Essener Dienstleister Ista liest den Wärmeverbrauch Hundertausender Heizungen bereits per Funk von der Straße aus ab. Jetzt entwickeln Digitalexperten Ideen, wie Ista auch ganze Häuser mit Sicherheitstechnik ausrüsten könnte. Der Thermomix von Vorwerk lädt passende Rezepte per WLAN aufs Display – auch eine schlaue Einzellösung. Und deutlich mehr als 500 Euro teure Saugroboter wie der Roomba 980 von Irobot oder der Kobolt VR200 von Vorwerk lassen sich vom Handy aus aktivieren – ebenso wie autonom fahrende Rasenmäher. Minisicherheitskameras wie Welcome von Netatmo für knapp 200 Euro oder die ähnlich teure Nokia-Home-HD-Kamera melden unerwarteten Besuch im Wohnzimmer an das Smartphone. Die Wohnungsbesitzer können so gegebenenfalls die Polizei rufen und auch gleich Fotos der Einbrecher liefern.
Dabei hält auch das Landeskriminalamt einiges von intelligenter Haustechnik. Die Behörde betont zwar auf Anfrage, dass gute Türschlösser und gegen Aufhebeln gesicherte Fenster der wichtigste Schutz sind. Doch gegen eine digitale Alarmanlage mit Raumbeobachtung haben die Kriminalisten nichts. „Wenn so eine Warnung vor Einbrechern in Echtzeit möglich ist“, heißt es auf Anfrage, „kann das eine interessante Ergänzung zum physischen Absichern des Hauses sein.“
Intelligent das Haus sichern, aus dem Netz die Musik streamen oder das Licht einschalten – per App nutzbare Einzellösungen dafür gibt es hundertfach. Gleichzeitig können die Nutzer aus einer Vielzahl von Kombinationsangeboten wählen. So glänzt das Telekom-System Magenta Home dadurch, dass es auf der Qivicon-Technik basiert. Auf diese Plattform haben sich mehr als 40 Unternehmen geeinigt – Geräte können also auch untereinander kommunizieren und mit einer einzigen App gesteuert werden. „Ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Unternehmensberater Vandieken.
Bei besonders anspruchsvollen Nutzern liegt das System Homee der süddeutschen Spezialfirma Codeatelier im Trend. Es erlaubt die Verknüpfung von WLAN mit einer Reihe weiterer Funktechniken. So nutzt es Vandieken, um sein gerade im Bau befindliches Einfamilienhaus am Rande von Düsseldorf zu vernetzen. „Der modulare Ansatz erlaubt zahlreiche Einzelkomponenten, wie die Jalousie- und Lichtsteuerung trotz unterschiedlicher Technologien einfach und drahtlos zu vernetzen“, freut sich der Bauherr. „Das macht das aufwendige Verlegen von Kabeln unnötig.“
Natürlich spielen gerade die US-Onlinegiganten eine große Rolle beim Kampf um die Marktanteile beim intelligenten Haus. Amazon verknüpft seinen mit künstlicher Intelligenz arbeitenden digitalen Assistenten Alexa mit weit mehr als 100 Geräten wie fernsteuerbaren Steckdosen, einem Babyphone, Dutzenden Lampen und einer Kaffeemaschine, die auf Sprachkommando den Espresso zubereitet. Und um die Einkäufe der Kunden anzuregen, verteilt der größte Onlinehändler der Welt an seine Prime-Mitglieder zum Stückpreis von 4,99 Euro mit WLAN ausgestattete Bestellknöpfe etwa für Windeln, Kaffee, Waschmittel oder Tierfutter.
Apple hat die Plattform Homekit entwickelt, die Geräte miteinander verknüpfen soll. Vorstandschef Tim Cook demonstrierte jüngst auf der Entwicklerkonferenz des Konzernes, wie das Spracherkennungssystem Siri auch Befehle zur Steuerung des Hauses aussenden soll. Wenn ein Berufstätiger Siri im Auto mitteile, er fahre nach Hause, soll die Heizung automatisch hochfahren. Er selbst, erzählt Cook, nutze das System, um den Tag stressfreier zu starten: „Wenn ich zu Siri Guten Morgen sage, läuft die Kaffeemaschine und das Licht geht an. Und wenn ich gehe, reicht ein Klick auf dem iPhone, um das Licht zu löschen und die Tür zu verriegeln.“
Mit besonders hohen Investitionen drängt Google vor. Der Konzern hat 2014 die Spezialfirma Nest für 3,2 Milliarden Euro erworben. In Deutschland werden Überwachungskameras, Thermostate, Türklingeln mit Videokontrolle sowie per Funk überwachte Rauch- und Kohlenmonoxidmelder angeboten.
Dabei handelt es sich nicht um eine abgeschottete Lösung. So kann ein per Funk gesteuertes Wasserventil von Grohe automatisch geschlossen werden, wenn der Bewohner das Haus verlässt, die Geräte lassen sich sowohl mit der Telekom-App für Magenta-Smart-Home wie per Digitalassistent Alexa von Amazon bedienen.
„Viele Unternehmen versuchen, zentrale Elemente der Wertschöpfung im Smarthome für sich zu beanspruchen – darunter Großkonzerne, Start-ups und natürlich die vier Internetriesen Google, Amazon, Facebook und Apple“, sagt Unternehmensberater Vandieken. „Während einige Produkte intelligent miteinander verbunden werden können und so für den Kunden echten Mehrwert schaffen, schotten sich andere Systeme noch voneinander ab.“
Ein Beispiel dafür ist das Verhältnis von Nest (Google) und Apple. Nutzer können die Nest-Geräte auch mit einer App auf dem iPhone steuern, doch integriert in die Plattform Homekit von Apple sind sie bisher nicht.
Selbst an Haustiere haben die Strategen des Smarthomes gedacht: Hunde bekommen ihren Fressnapf automatisch
Weil neue Funksensoren extrem klein sind und wenig Energie brauchen, bietet Vodafone an, Schulranzen oder Haustiere damit zu bestücken – das erleichtert die Suche. Die Monatsgebühr dafür liegt bei 6,99 Euro. Für die Deutsche Bahn hat Vodafone Sensoren entwickelt, die melden, wenn ein Mülleimer in einem Bahnhof geleert werden sollte – nach diesem Modell lässt sich natürlich auch managen, wann der Müll von Privathaushalten abgeholt wird. Noch weiter geht die Telekom: Mit Funkchips ausgestattete Fußmatten sollen berufstätigen Eltern melden, wenn die Kinder zu Hause ankommen. Beim Hund kommt ein Fressnapf automatisch angerollt – so Visionen des Konzerns. „Die Möglichkeiten beim Internet der Dinge sind fast unbegrenzt“, sagt Claudia Nemat, Technikvorstand der Telekom.
Den nächsten großen Sprung nach vorn auch für das vernetzte Haus wird die Mobilfunkgeneration 5G bringen, weil sie nicht nur deutlich mehr Kapazitäten liefert, sondern auch Daten mit einer Geschwindigkeit von einer Tausendstelsekunde übertragen kann.
Huawei aus China und Nokia aus Finnland haben Minifunkzellen für die ab 2020 startende nächste Mobilfunkgeneration 5G entwickelt, mit denen Privathäuser bestrahlt werden sollen. Telekom, Telefónica Deutschland und Vodafone planen den Einsatz. Ein mögliches Projekt könnte dann sein, so der Technikprofessor Gerhard Fettweis, dass Ärzte kleine Roboter bei älteren Leuten in Echtzeit steuern und überwachen, damit die Patienten dann zu Hause gut mit Medikamenten und Getränken versorgt sind. Fettweis weiß, wovon er spricht: Er leitet in Dresden das 5G Lab, die wichtigste Forschungseinrichtung zur Zukunft des Mobilfunks in Deutschland. Seine Vision: „Mit 5G können wir Kranke viel besser zu Hause betreuen. Das Internet wird taktil, also fühlend.“