Akteure und Rollen – Wer macht was bei plattformbasierten Ökosystemen?
Nachdem wir uns in den vorhergehenden Artikeln mit den grundsätzlichen Begriffen „Plattform“ und „Ökosystem“ sowie mit den Erfolgsfaktoren zum Aufbau von Plattformen auseinandergesetzt haben (s. dazu https://www.smp-ag.de/de/presse), beschäftigen wir uns in diesem Artikel mit dem Rollenmodell. Rollenmodelle gibt es einige – da erübrigt sich die „Erarbeitung“ eines weiteren wenig differenzierenden Ansatzes. Im Rahmen dieses Artikels werden wir uns daher auf das „5+Akteure Schema“ beziehen, welches die Autoren Markus Warg, Ingo Bahrs und Jens Stäcker 20171 im Rahmen einer Publikation beschrieben haben und das sich sehr gut zur Charakterisierung der Rollen im Plattformkontext eignet.
Grundsätzlich stehen Unternehmen folgende drei Vorgehensweisen zum Umgang mit Plattformen zur Verfügung:
1. As-is – Professionalisierung im bestehenden Pipeline-Geschäftsmodell:
Unternehmen bleiben dem aktuellen Pipeline-Geschäftsmodell treu und bieten weiterhin Produkte oder Services des bestehenden Geschäftsmodells in einer 1:n-Beziehung an. Zur Erweiterung der Vertriebsoberfläche können Produkt-, Vertriebs- oder Markenkooperationen eingegangen werden. Das ändert aber nichts am Geschäftsmodellansatz. Es bleibt ein Pipeline-Modell.
2. Teilnahme an bestehenden plattformbasierten Ökosystemen:
Unternehmen beteiligen sich an bereits bestehenden plattformbasierten Ökosystemen. So können Versicherer bspw. über Immobilien- oder Mobilitätsplattformen ihre Produkte und Leistungen anbieten. Dabei profitiert das Unternehmen von der Kundenschnittstelle der Plattform und muss diese nicht selbst aktiv managen. Dies befreit Unternehmen jedoch nicht davor Entscheidungen zu treffen. So stellt sich bspw. die Frage, ob das jeweilige Produkt unter eigener Marke oder als White-Label-Produkt unter dem Namen des Plattform-Anbieters vertrieben werden soll.
3. Aufbau eines eigenen plattformbasierten Ökosystems:
Unternehmen können versuchen in eigener Regie ein plattformbasiertes Ökosystem aufzubauen. Was es für eine erfolgreiche Umsetzung benötigt, wurde ausführlich in den vorherigen Artikeln beschrieben. Dieser Ansatz dürfte für die meisten Unternehmen die größte Herausforderung darstellen, weil ein Wechsel des Geschäftsmodells ansteht, der mit einer Vielzahl von Änderungserfordernissen einhergeht.
Akteure und Rollen
Der Aufbau bzw. die Realisierung eines plattformbasierten Ökosystems wird gekennzeichnet durch das Zusammenwirken mehrerer Akteure, die unterschiedliche Rollen wahrnehmen. Dabei gibt es Interaktionen und Wirkmechanismen zwischen den Rollen, die im „5+Akteure-Schema“ wie folgt benannt werden: Technologieanbieter (A), Plattformeigentümer / -sponsor (B), Plattformbetreiber / Orchestrator (C), Anbieter / Produzent (D) und den Konsumenten / Co-Creator (E).
A. Technologieanbieter:
Der Technologieanbieter ist für die Beschaffung, die Konfiguration und das Betreiben der technologischen Basis verantwortlich. Er verantwortet die Bereitstellung der Infrastruktur für (modulare) Softwareinstallationen, Berechtigungssysteme, Testumgebungen und modernste Sicherheitsfunktionen.
B. Plattformeigentümer bzw. -sponsor:
Der Plattformeigentümer bzw. -sponsor hält die IP-Rechte (Intellectual Property) und legt die Governance fest, in der Design und die Spielregeln beschrieben werden. Dazu zählen u.a. das Monetarisierungskonzept, der Grad an Offenheit der Plattform, die Formulierung von Qualitätsvorgaben sowie die Ermöglichung der Wiederverwendbarkeit bzw. Transferierbarkeit zugrundeliegender Technologien.
C. Plattformbetreiber bzw. Orchestrator:
Die Position des Plattformbetreibers bzw. des Orchestrators kann entweder durch den Plattformeigentümer selbst oder einen zusätzlichen Akteur wahrgenommen werden. Auf Basis der zuvor festgelegten Governance managet er aktiv die Plattform im Sinne des Eigentümers und orchestriert die Interaktion der einzelnen Teilnehmer (s. dazu auch Artikel 2 dieser Artikelserie) im Sinne aller Beteiligten, um ein Optimum im n:n-Kontext herzustellen. Zu seinen Aufgaben zählt u.a. die Auswahl von Partnern, das Durchsetzen von Werteversprechen sowie die Sicherstellung der Einhaltung von Qualitätsvorgaben.
Ein weiteres, entscheidendes Feld seines Aufgabenspektrums liegt im Thema Daten. Er verantwortet die Generierung und Nutzung von Kunden(-interaktions)daten. Darauf aufbauend stellt er sicher, dass Kundenwünsche identifiziert und passende Anbieter mit einem relevanten Produkt- und Leistungsspektrum angebunden werden. Ferner dienen diese Daten zur Entwicklung von E2E-Customer Journeys. Wesentlicher Erfolgsfaktor für all diese Arbeiten ist ein in Echtzeit synchronisiertes Kundenprofil sowie ein tiefes Kundenverständnis. Selbstverständlich datenbasiert unter zusätzlicher Nutzung von Vergangenheitsdaten und verknüpft mit Prognosetools. (s. dazu auch https://www.smp-ag.de/de/presse/mensch-maschine-mitarbeiter-technologie-treiber-plattformerfolgs)
D. Anbieter / Produzenten:
Anbieter / Produzenten bieten entsprechend der fokussierten Lebenswelt adäquate Produkte, Leistungen, Informationen oder Anwendungen an. Die angebotenen Dienste müssen dabei den Governance-Vorgaben entsprechen und natürlich vor allem für den Kunden aber auch für die Plattform einen Mehrwert darstellen. Art und Höhe der Vergütung sind durch das Monetarisierungskonzept des Plattformeigentümers vorgegeben und werden durch den Orchestrator umgesetzt.
E. Konsumenten / Co-Creator
Konsumenten erfüllen zwei Funktionen: Zum einen nutzen sie die Plattform, in dem sie Produkte kaufen oder in Interaktion mit Anbietern oder anderen Kunden eintreten (z.B. durch die Abgabe von Bewertungen, Posten von Beiträgen in Communities, Messaging etc.). Zum anderen nehmen sie im Idealfall die Rolle eines Co-Creators ein, d.h. sie bringen Verbesserungen, Produktideen etc. ein.

Abbildung 1: Beispiele zu Rollen im Rahmen des Plattformansatzes
Die größten Herausforderungen liegen sicher in den Rollen des Plattformeigentümers / -sponsors (B) sowie in der des Plattformbetreibers / Orchestrators (C). Während der eine für die Sicherstellung eines erfolgreichen Set-ups verantwortlich ist, muss der andere aktiv, laufend und konsequent entsprechend der Erfolgskriterien zum Aufbau einer Plattform das Gesamtsystem managen.
Dabei ist die Rolle des Eigentümers mit einem großen Vorteil verbunden: Er wird an jeder Transaktion, die über die Plattform getätigt wird, mitverdienen. Unabhängig davon, ob es eigene Produkte und Leistungen oder die der angebundenen Partner sind. Jede Transaktion kann – sofern so im Monetarisierungskonzept geregelt – einen monetären Nutzen mit sich bringen. Das gilt natürlich auch, wenn im Kontext des offenen Plattformkonzeptes Leistungen von Wettbewerbern abgesetzt werden.
Darüber hinaus wird der Plattformeigentümer bei jeder Transaktion nicht nur monetär vergütet, sondern er hat auch Zugriff auf die transaktionsbasierten Kundendaten. Diese stellen wiederum einen enormen Wert bei der Professionalisierung von Customer Journeys, der Individualisierung der Kundenansprache sowie für die Entwicklung bzw. Auswahl passgenauer Produkt- und Leistungsangebote dar.
Kompetenz als Maßgröße zur Auswahl der Rolle
Steht ein Unternehmen vor der Frage, welche Rolle es im Kontext von plattformbasierten Ökosystemen einnehmen könnte bzw. ob der Aufbau einer eigenen Plattform sinnvoll ist, so kann die Beantwortung folgender Fragestellungen zu den eigenen Kompetenzen hilfreich sein:
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Kundenschnittstelle
Verfüge ich über einen ausreichend belastbaren und attraktiven Kundenzugang für das adressierte Ökosystem bzw. die jeweilige Lebenswelt? Bin ich bereits mit einer erfolgreichen Marke oder eingeführten Produkten / Dienstleistungen im Markt bekannt? Ist mein Leistungsportfolio aus Endkundensicht derart interessant, dass darüber eine entsprechende Relevanz geschaffen wird, die eine regelmäßige Plattformnutzung sicherstellt? -
Produkt- und Leistungsportfolio und Servicemanagement
Bringe ich für die adressierte Lebenswelt / das Ökosystem einen zentralen Bestandteil des Produkt- und Leistungsportfolios mit? Eignet sich dieser sowohl zur Lösung des „Henne-Ei-Problems“ als auch, um über die Generierung positiver Netzwerkeffekte (Fokus: Cross-side-Effekte) die schnellstmögliche Sicherstellung der kritischen Masse zu ermöglichen? (s. hierzu https://www.smp-ag.de/de/presse/let-games-begin-spielregeln-plattformoekonomie) -
Schnittstellen-, Netzwerk- und Partner-Management
Bin ich in der Lage, die einzelnen Partner zu orchestrieren bzw. die Schnittstelle zwischen Anbietern und Nachfragern zu managen? Besitze ich die fachliche Kompetenz, d.h. habe ich Mitarbeiter mit speziellem Know-how im Kontext des Netzwerkmanagements? (s. auch https://www.smp-ag.de/de/presse/set-success-enabler-prozesse-erfolgreichen-aufbau-betrieb-plattform) -
IT / Data Analytics
Habe ich die Kompetenz, alle Partner entsprechend der Erfordernisse der Plattformstrategie systemseitig anzubinden, Wertschöpfungsprozesse stabil, effizient und digital zu unterstützen sowie ein State of the Art Datenmanagement (inkl. KI etc.) aufzusetzen und stetig weiterzuentwickeln? (s. hierzu https://www.smp-ag.de/de/presse/mensch-maschine-mitarbeiter-technologie-treiber-plattformerfolgs)
Von den Antworten auf die hier gestellten Fragen hängt ab, ob ganz grundsätzlich die Möglichkeit besteht, eine Rolle im Kontext eines plattformbasierten Ökosystems einzunehmen. Je stärker die Kompetenz in den jeweiligen Bereichen ausgeprägt ist, desto wahrscheinlicher ist es, die passende Rolle zu finden und diese erfolgreich auszufüllen.
Hat ein Unternehmen eine Rolle eingenommen, so ist es natürlich nicht darauf festgelegt. Weiterentwicklungen sind möglich – sowohl vertikal als auch horizontal. Ist ein Versicherungsunternehmen bspw. sehr effizient im Schadenmanagement für KFZ-Schäden, so kann es diese Kompetenz auch für Schadenfälle in anderen Produktbereichen (z.B. Hausrat) nutzen (sog. vertikale Rollenausweitung) oder diese Leistung vermarkten und beispielsweise auch direkten Wettbewerbern zur Verfügung stellen. Abbildung 2 zeigt die mögliche Rollenausweitung in einer schematischen Darstellung.

Abbildung 2: Schematische Darstellung möglicher Rollenausweitung
In diesem fünften Teil „Akteure und Rollen“ haben wir uns mit der Frage auseinandergesetzt, welche Rollen es im Kontext plattformbasierter Ökosysteme gibt und welche Anforderungen damit verbunden sind. Damit schließen wir die Ausführungen zu den Grundlagen von Plattformen und Ökosystemen ab. Beginnend mit dem nächsten Artikel tauchen wir in die Welt konkreter Ökosysteme ein. Wir starten mit Lebenswelt „HOME“, die wir aus Sicht von Unternehmen der Versicherungs-, Energie- und der Immobilienbranche eingehender beleuchten werden.
Quellen:
1. Warg / Bahrs / Stäcker; Service-Dominierte Architektur – Wie die Service-Plattform der Zukunft aussieht, 27.11.2017, CIO-Magazin
Autoren:
Dr. Alfons Niebuer ist Partner für Versicherungen und Banken bei der Strategieberatung SMP Strategy Consulting. Beratungsschwerpunkte liegen in den Themen Plattformen und Ökosysteme, Transformation von Geschäftsmodellen sowie Omnichannel-Management
Philipp Bender ist Projektmanager für Versicherungen und Banken bei der Strategieberatung SMP Strategy Consulting.